CDU Werther

Fahrradstraße: Werthers Politik knickt nach Druck von Landwirten ein

Streit im Mobilitätsausschuss

Die Drohszenarien klingen nach Anarchie im Außenbereich: Radfahrer, die gemütlich nebeneinander über den Schwarzen Weg juckeln und sich einen Spaß daraus machen, Trecker und Autofahrer auszubremsen und zu zwingen, dreieinhalb Kilometer im Schritttempo hinter ihnen herzutuckern. Hupkonzerte, Wutausbrüche, sogar Handgreiflichkeiten könnte es geben - wenn es SPD und Grünen gelingen würde, ihr Anliegen durchzubringen und aus dem Schwarzen Weg eine Fahrradstraße zu machen.

Der Schwarze Weg als Fahrradstraße? Dann hätten Radfahrer jedes Recht, gemütlich nebeneinander zu fahren. Der Ärger von Autofahrern, die gegebenenfalls die gesamten dreieinhalb Kilometer hinterherfahren müssten, wäre vorprogrammiert. 
© Anja Hanneforth, Der Schwarze Weg als Fahrradstraße? Dann hätten Radfahrer jedes Recht, gemütlich nebeneinander zu fahren. Der Ärger von Autofahrern, die gegebenenfalls die gesamten dreieinhalb Kilometer hinterherfahren müssten, wäre vorprogrammiert. © Anja Hanneforth,

Damit es so weit nicht kommt, sind am Montagabend Landwirte und weitere Anlieger in den Mobilitätsausschuss gekommen. Um deutlich zu sagen, was sie von der Idee halten: gar nichts.

Fast eineinhalb Stunden dauert die Diskussion. Die Atmosphäre ist aufgeladen, zu groß die Sorge der Betroffenen vor den Folgen einer Fahrradstraße. Wie berichtet ist erklärtes Ziel von SPD und Grünen, eine sichere Radwegeverbindung nach Bielefeld zu schaffen. Und solange es den geplanten Schnellradweg entlang der Bielefelder Straße nicht gibt, wäre der Schwarze Weg ihrer Ansicht nach die beste Alternative. Autofahrer dürften die Straße weiterhin benutzen, müssten aber auf Radfahrer besondere Rücksicht nehmen. Die gesamte Straße würde zur Tempo-30-Zone.

Argument: Verkehrspolitik nicht mehr nur für Autofahrer

Sinnvoll sei das Vorhaben auch darum, so die Antragsteller, da von Dornberger Seite ebenfalls Anstrengungen in diese Richtung unternommen würden. So soll hier die Ortsdurchfahrt für Radfahrer verbessert werden.

"Verkehrspolitik wird heute nicht mehr nur für Autofahrer gemacht", betont Heinz-Peter Kuhlmann (Grüne). Ziel müsse es sein, die Situation für Genussradfahrer, vor allem aber für alle, die das Rad täglich nutzen, zu verbessern. Dass es irgendjemand darauf anlegen würde, Autos oder Trecker auszubremsen, sei "völliger Quatsch".

Radfahrer seien durchaus in der Lage zu sehen, wenn ein landwirtschaftliches Fahrzeug passieren will. "Dann fährt man an die Seite und lässt es vorbei", so Jennifer Reker (Grüne).

Antragsgegner sprechen von "reiner Symbolpolitik"

Allerdings sind die Kritiker an dem Vorhaben an diesem Abend klar in der Überzahl - womit SPD und Grüne augenscheinlich nicht gerechnet haben. Bis zum Schluss hoffen sie, die Skeptiker zu überzeugen. Doch es gelingt ihnen nicht.

"Das ist doch hier reine Symbolpolitik", ärgert sich Martina Timpe (CDU). Am Schwarzen Weg lebten alle - Anlieger, Landwirte, Autofahrer, Fußgänger und Radfahrer - ein gutes Miteinander. Eine Fahrradstraße hätte für viele, vor allem aber für die Landwirte, erhebliche Konsequenzen. Richtig gefährlich würde es obendrein an der Aufmündung des Schwarzen Wegs auf die Bielefelder Straße kurz vor Dornberg: "Wenn Radfahrer hier die Straße queren müssen, auf der Tempo 100 gilt, wird es kriminell."

Auch ihr Parteikollege Alexander Fillers ärgert sich: "Hier soll ein Problem gelöst werden, das es gar nicht gibt", verweist auch er auf eine gut funktionierende Situation. Fahrradstraßen seien im Grunde ja sinnvoll: "Aber nicht an dieser Stelle."

Erhebliche Nachteile befürchtet

Genauso sieht es Hannes Dicke-Wentrup (Freie): "Dadurch entstehen nur Nachteile." Landwirte seien darauf angewiesen, problemlos zu ihren Flächen zu kommen. Wenn Radfahrern an dieser Stelle Sonderrechte eingeräumt würden, sei es mit dem Frieden vorbei. Er lehnt den Vorschlag rundheraus ab.

Sogar Jürgen Schäfer (WDGA), eigentlich großer Fürsprecher für Radfahrer und Fußgänger, ist dagegen. "Das alles ist doch nur ein Ablenkungsmanöver, weil Straßen.NRW es nicht schafft, entlang der Bielefelder Straße einen Schnellradweg einzurichten. Hier müssen wir ansetzen, nicht am Schwarzen Weg."

Dirk Schröer (UWG) stimmt zu: "Auf dem Schwarzen Weg läuft es gut, es gibt keine Probleme. Eine Fahrradstraße wäre die allerschlechteste Lösung. Abgesehen davon, dass es hier rauf und runter geht und sich überhaupt beschissen fährt." Und eines müsse klar sein: "Wenn hier die Fahrradstraße mit Tempo 30 kommt, verlagert sich der Verkehr auf andere Strecken." Birgit Ernst (CDU) dazu: "An Tempo 30 wird sich doch im Zweifelsfall ohnehin niemand halten. Was das ganze Projekt ad absurdum führt."

Landwirte befürchten, ausgebremst zu werden

 

Schon heute ein Problem am Schwarzen Weg sind die vielfach abgesackten Bankettbereiche. - © Anja Hanneforth, HK

Schon heute ein Problem am Schwarzen Weg sind die vielfach abgesackten Bankettbereiche.

(© Anja Hanneforth, HK)

Die Redebeiträge dürften Balsam auf die Seele der rund 20 Landwirte und Anlieger sein, die an diesem Abend ins Rathaus gekommen sind. Als sie Rederecht erhalten, ergreift Ulrich Wittenbrock das Wort. Er ist Landwirt und direkter Anlieger des Schwarzen Wegs. Er spricht für 13 Berufskollegen, die entweder wie er direkt an der Straße wohnen oder den Schwarzen Weg brauchen, um ihre Äcker zu erreichen. Und erinnert daran, dass auch Futtermittellieferanten und Viehtransporter regelmäßig die Straße nutzen.

"Radfahrer könnten uns schlimmstenfalls komplett ausbremsen", warnt er. Schon jetzt sei der Begegnungsverkehr aufgrund der vielfach beschädigten Bankette mit ihren tiefen Kanten schwierig. "Radfahrer müssen schon heute nicht ausweichen, sie dürfen auf der Straße bleiben. Also fahren wir zur Seite. Und müssen uns dann vom Bauamt anhören, wir würden die Bankette kaputt fahren."

Durch den Glasfaserausbau gäbe es aktuell zusätzlich tiefe Löcher an der Straße. "Wir sind auf gegenseitige Rücksichtnahme angewiesen", so Wittenbrock. Noch klappt das. Aber mit einer Fahrradstraße?

Die übrigen Anwesenden bekräftigen seine Aussage. Landwirt Gerhard Maaß: "Wenn der Schwarze Weg zur Fahrradstraße wird, fühlen wir uns alle abgehängt." Und Lars Wittenbrock: "Landwirte stehen heute unter großem gesellschaftlichen Druck und ständiger Beobachtung. Aktuell kommen wir am Schwarzen Weg im Dialog gut zurecht. Wenn wir aber auf diese Weise bevormundet und Radfahrer privilegiert werden, ist es mit dem Dialog schnell vorbei."

Den Schlusspunkt setzt Daniel Bruelheide, zwar kein Landwirt, aber ebenfalls Anlieger: "Ich habe keine Lust, stundenlang hinter einem Radfahrer herzujuckeln. Eine Fahrradstraße wäre totaler Blödsinn!"

SPD und Grüne stecken im Flur des Rathauses die Köpfe zusammen

Das sieht Ekkehard Härtel zwangsläufig anders. Er ist Gründer der neuen ADFC-Ortsgruppe und betont, es brauche dringend eine sichere Verbindung nach Bielefeld. Auf der Bielefelder Straße könne davon aktuell nicht die Rede sein, zumal es hier in großen Teilen kein Tempolimit gibt.

Für seine Fahrradkollegen könne er sagen, dass niemand von ihnen die Landwirte ausbremsen wolle. "Allerdings muss auf Radfahrer mehr Rücksicht genommen werden", spricht er auf das leidige Thema Überholen an. "Würden Autofahrer den erforderlichen Mindestabstand einhalten, wäre das an vielen Stellen gar nicht erlaubt."

Was folgt, ist ein weiterer Schlagabtausch zwischen Befürwortern und Gegnern der Fahrradstraße - mit den Gegnern klar in der Überzahl. Was SPD und Grüne schließlich zum Einlenken bewegt. In einer Sitzungsunterbrechung stecken sie im Flur vor dem Bürgermeisterzimmer die Köpfe zusammen. Und stimmen einem Vorschlag zu, den Dirk Schröer (UWG) zuvor gemacht hat: Den Antrag umzuändern und die Nennung des Schwarzen Wegs herauszunehmen.

"Das ist doch eine Mogelpackung"

Stattdessen soll die Verwaltung nun das Gespräch mit dem Kreis Gütersloh und der Stadt Bielefeld suchen und gemeinsam überlegen, wie sich eine sichere und direkte Fahrradverbindung von Werther nach Bielefeld realisieren lässt. Mit zehn Ja- und fünf Gegenstimmen (von CDU, Freien und WDGA) wird dies am Ende beschlossen.

Was CDU-Ratsfrau Martina Timpe zu dem Schluss bringt: "Das ist doch eine Mogelpackung! Wenn wir ehrlich sind, bleibt doch als direkte Verbindung abseits der Bielefelder Straße nur der Schwarze Weg. Ihn nur nicht namentlich zu nennen, macht es nicht besser."