"Wir sollten glauben, was Diktatoren aufschreiben"
Putins Visionen sollte der Westen sehr ernst nehmen: Mahnende Worte hat Elmar Brok, ehemaliger CDU-Europa-Abgeordneter und erfahrener Außenpolitiker am Freitag in Werther gefunden.
Elmar Brok kann sie aus dem Handgelenk schütteln, die vielen Verträge und zwischenstaatlichen Regelungen, die nach dem zweiten Weltkrieg dafür gesorgt haben, dass in Europa eigentlich kein Krieg mehr möglich sein sollte. Auch die frühere Sowjetunion und Russland als ihre Rechtsnachfolgerin hat die Abkommen mit unterschrieben.
Beim Neujahrsempfang der CDU Werther im BöckstiegelMuseum nimmt der ehemalige Europa-Abgeordnete seine Zuhörer mit zu einer kleinen Geschichtsexkursion. Werthers CDU-Vorsitzender Ralf Eckelmann freut sich über die große Resonanz: Nahezu alle Tische und Stühle sind besetzt, wie selbstverständlich sind auch Vertreter der anderen Ratsfraktionen erschienen.
Demokratie und Freiheit sichern
Nach zwei Corona-Jahren, sagt CDU-Kreisvorsitzender und Landtagsabgeordneter Raphael Tigges, gebe es endlich wieder die Chance, sich auszutauschen. Er berichtet von der bewegenden Gedenkstunde im Landtag, wo am Jahrestag der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz die HolocaustÜberlebende Ruth Weiss zu den Zuhörerinnen und Zuhörern im Plenum und auf den Zuschauertribünen von ihren Erlebnissen erzählt habe. Aber auch davon, wie sie die junge Generation aufzuklären versucht . „Das hat uns wieder einmal vor Augen geführt, was dieses furchtbare Nazi- und Terror-Regime angerichtet hat. Wir müssen alles dafür tun, unsere Demokratie und Freiheit zu sichern.“
Nachdem auch Hausherr und Museumsleiter David Riedel über erfreuliche Besucherzahlen, die laufenden Bauarbeiten für die Küche des Cafés und die Zukunftsperspektiven berichtet hat, ist Elmar Brok mit seiner Analyse des Krieges in Europa am Zuge. Brok ist zwar 2019 nach 39 Jahren Zugehörigkeit aus dem Europa-Parlament ausgeschieden, ist aber vor allem wegen seiner Tätigkeit als langjähriger Vorsitzender des Ausschusses für Auswärtige Angelegenheiten immer noch ein gefragter Gesprächspartner und Referent. So sei er erst vorige Woche in London auf Einladung der britischen Labour-Partei mit deren führenden Köpfen zusammengekommen.
Putin wirft alles über den Haufen
„Der russische Angriffskrieg ist ein Bruch mit allem, was wir meinten, aus dem zweiten Weltkrieg gelernt zu haben,“ kommentiert Brok den Überfall Putins auf die Ukraine. Eigentlich habe man ja genügend Regelungen gefunden, die keinen Anlass mehr für einen Krieg liefern würden. Die Grenzen seien nur im Einvernehmen noch verrückbar, die Identitäten der Völker gesichert. Der russische Machthaber aber hat das für sich außer Kraft gesetzt.
„Die 22 Seiten, die Putin im Sommer 2021 niedergeschrieben hat, sollte Pflichtlektüre in den Schulen werden,“ sagte Brok. Darin habe er alles gesagt, habe der Ukraine unter anderem ihre eigene Identität abgesprochen und das Recht, ein eigener Staat zu sein. Wer nicht mit ihm übereinstimme, sei ein Verräter und Nazi. Und Putin nähre den Glauben, dass die eigene Nation über anderen stehe. „Man sollte glauben, was Diktatoren aufschreiben,“ warnte Brok und verwies auf das Beispiel Adolf Hitler, der im Gefängnis ebenfalls aufgeschrieben habe, was er vor habe.
Plädoyer für Lieferung schwerer Panzer
Brok verzichtete sowohl auf den erhobenen Zeigefinger, wonach er die Entwicklung vorausgesehen haben, als auch auf Prognosen über die weitere Entwicklung. Er begrüßte aber ausdrücklich die Unterstützung der Ukraine mit schweren Waffen. „Wird Putin vielleicht irgendwann an der Oder stehen? Ist das das geringere Risiko als 20 Panzer in die Ukraine zu schicken?,“ fragte er provokativ. Der ehemalige Europa-Politiker warb eindrücklich für die europäische Ordnung. „Es darf keinen Grund mehr geben, Grenzen mit Gewalt zu verändern.“
Und er sprach sich aus gegen einen europäischen „Einheitsbrei“, sondern dafür, die Identität der einzelnen Nationen zu fördern, für eine Vielfalt der Völker. Das gelte auch für die Sprachen. In der Ukraine hätten die Menschen wieder zu ihrer lange unterdrückten Sprache gefunden. Auch in der EU seien Bestrebungen abgelehnt worden, sich etwa bei Übersetzungen im Parlament aus Kostengründen auf einige wenige Sprachen zu konzentrieren.