Reul: „Politik darf Probleme nicht verschweigen
NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) zählt zu den beliebtesten Politikern - weil er seinen Worten Taten folgen lässt.
Nur so könne Politik wieder vertrauen gweinnen, sagte er am Freitag in Werther.
Wenn sich der wohl populärste NRW-Landespolitiker beim Neujahrsempfang die Ehre gibt, hat der Stadtverband alles richtig gemacht. „Meistens kommt der Südkreis besser weg als wir hier oben“, sagt Werthers CDU-Vorsitzender Ralf Eckelmann. Dieses Mal ist es anders: NRW-Innenminister Herbert Reul spricht am Freitagabend vor Parteimitgliedern im Böckstiegel-Museum, und zwar nicht nur über sein Thema, die innere Sicherheit. Reul sorgt sich ums Ganze.
Dazu liefert ihm Eckelmann in seiner Begrüßungsrede die Vorlage. „Der gesellschaftliche Umgang miteinander ist so schlecht wie noch nie. Nach Rücksichtnahme und Zusammenhalt während der Corona-Pandemie ist das Ich, ist der Egoismus in den Mittelpunkt gerückt. Respekt, Wertschätzung und Anerkennung findet man heute nur selten“, sagt Werthers CDU-Chef. Die schlechte Stimmung sorge für den Aufwind der AfD, der nur Einhalt geboten werden könne, „wenn man den Leuten zuhört und ihre Probleme ernst nimmt“.
Reul zitiert aus einer Umfrage: „Wenn 69 Prozent der Menschen mit diesem Staat nichts mehr anfangen können, dann ist das lebensgefährlich. Das ist das größte Problem für mich.“ Gelöst werden könne das nur mit einer Politik der kleinen Schritte und verlässlichen Erfolge. Denn das schaffe im Gegensatz zu „dicken Sprüchen“ Vertrauen.
Als Beispiel führt er seine Kampagne gegen arabische Clan-Kriminalität vor allem im Ruhrgebiet an. „Politik muss zugeben, dass es ein Problem gibt, und darf es nicht verschweigen. 30 Jahre gab es das Problem mit den Clans schon, bevor ich Innenminister geworden bin. Ich habe nie verstanden, dass man das Problem nicht angeht“, sagt Reul.
Eine Voraussetzung für innere Sicherheit sei eine ausreichende Zahl Polizisten. 17.500 habe er bislang in seiner Amtszeit vereidigt. Fünf Jahre habe es gedauert, das personelle Defizit zu beseitigen. „Das ist eine Riesennummer.“ So viel Selbstlob muss sein. Was ihn wütend macht, sind Angriffe auf Polizisten, Feuerwehrleute und Sanitäter: „Was ist das für eine Gesellschaft, die Rettungskräfte bezahlt und dabei zusieht, wie diese angegriffen werden? Wir müssen ja einen Riss in der Schüssel haben, das zuzulassen.“ Deswegen verlange er von den Betroffenen, jeden Angriff zur Anzeige zu bringen. „Und das gilt nicht nur für uniformierte Beamte. Die in den Ausländerämtern sitzen, können Ihnen auch Geschichten erzählen“, so Reul.
In NRW sei die Polizei inzwischen die am besten ausgestattete Polizei in ganz Deutschland, sagt der 71-Jährige. Und in Renovierungen und Neubauten der Polizeiunterkünfte habe das Land in seiner Amtszeit zwei Milliarden Euro gesteckt. Reul: „Wir haben die Polizei aus der Steinzeit in die Moderne geführt und sind noch lange nicht fertig.“ Denn die Kriminalität verlagere sich ins Internet, was auch für Islamisten und andere gefährliche Extremisten gelte, die Anschläge vorbereiten wollen. Dass jetzt in einem Master-Studiengang 50 Cyber-Cops ausgebildet würden, sei noch nicht genug, aber ein Anfang und besser als nichts.
Dass die CDU in NRW die rechtliche Möglichkeit geschaffen hat, Verdächtige bis zu 14 Tage in polizeilichen Gewahrsam nehmen zu können, sei ein großer Erfolg, der an Weihnachten und Silvester wahrscheinlich Schlimmeres am Kölner Dom verhindert habe. Dennoch gebe es Baustellen, die er schließen möchte. Zum Beispiel beim Kindesmissbrauch, wo zu viel Datenmaterial von zu wenigen Polizisten ausgewertet werden müsse. „Wir brauchen das Recht, mehr Informationen zu bekommen. Aber zur Vorratsdatenspeicherung sind nur CDU und CSU bereit“, sagt Reul und betont zugleich, dass der Satz „Datenschutz ist Täterschutz“ viel zu simpel sei.
Nicht nur ihm bereite die Migration nach Deutschland die meisten Bauchschmerzen. „Wer das ausspricht, wird in die rechte Ecke gestellt. Das ist falsch. Wir sollten uns an die Worte des ehemaligen Bundespräsidenten Joachim Gauck halten“, so Reul. Gauck hat sich jüngst für die Begrenzung der Zuwanderung ausgesprochen und diese als „moralisch nicht verwerflich“ und „politisch geboten“ bezeichnet. Reul ist überzeugt, dass nur „die großen Parteien das Problem lösen können“.
Als ehemaliger Abgeordneter des Europäischen Parlaments (von 2004 bis 2017) liegt ihm die Europäische Union (EU) am Herzen – bei aller berechtigter Kritik an der EU-Kommission. „Es gibt Sachen in der EU, über die ich mich schwarz ärgere, und das oft rund um die Uhr. Aber die EU ist als Friedensprojekt durch nichts zu ersetzen“, sagt Reul und fragt: „Warum ist es uns so lange so gut gegangen? Weil Sicherheit als Grundlage für Frieden und Wohlstand da war. Wir haben super gelebt und haben es nicht gemerkt.“